Markus K. Korb

Grausame Städte

Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek 1

Blitz Verlag GmbH

Hurster Strasse 2

51570 Windeck

http://www.BLITZ-Verlag.de

Kaegelmann@t-online.de

Paperback  8.2003

ISBN     3-89840-921-X

158 Seiten 990

Concetta ist ein wunderschönes Mädchen, auch von ihrer Ausstrahlung so schön, dass ein Verehrer die Grenzen der sie umgebenden Welt sprengt, um mit ihr zusammen zu sein... Carnevale a Venezia hat ebenfalls seinen ganz eigenen Reiz, wenn auch manchen Besucher die eigenen Geister einholen... Das Ikarus-Prinzip lässt einen Dieb in Geschehnisse aus alten Zeiten eintauchen, und deren Faszination voll auskosten... Insel der Gräber ist nicht nur das Heim des eigenbrötlerischen Bestatterehepaares, denn nicht ohne Grund gibt es Gerüchte über immer wieder auftauchende Leichen, welche den bei einer Beerdigung helfenden Ministranten beunruhigen... Insomnia ist ein Preis, den ein eigenwilliger und überall auf Feiern gern gesehener Künstler unbesehen in Kauf nimmt, um ein Werk nach dem anderen zu fertigen... Der Schlafgänger nistet sich bei einer ärmlichen Familie ein, welche aufgrund der herrschenden Rezession auf das Geld angewiesen ist, und offensichtlich nicht merkt, was der verhüllte Fremde wirklich im Sinne hat... Wir alle sehen besser aus in Schwarz & Weiß, denn in der Farbe liegt die Lüge und Falschheit, weshalb eine verwirrte Kinderseele überall diesen von ihm als Ideal angestrebten Zustand anstrebt... Tief unten sitzt ein so genannter Caver, ein nach Höhlen suchender, der diesmal allerdings weder das erhoffte Vermögen, noch die erhoffte Ruhe unter Tage findet, sondern den blanken Schrecken eines ganz speziellen Infernos...

Die Geschichten des Buches sind in zwei Zyklen aufgeteilt, wobei die Handlung der ersten vier in Venedig, und der anderen vier in Berlin angesiedelt ist. Zwischen den Geschichten des jeweiligen Abschnittes gibt es teils interessante Parallelen und Analogien, die gerade im Kontext sehr aufschlussreich sind. Sowohl die Aufteilung, als auch deren Beziehungen zueinander, wie die Anspielungen auf die jeweils vorangegangenen Begebenheiten, wirken äußerst innovativ doch gleichzeitig dem Kernpunkt entsprechend. Inhaltlich macht demgegenüber bereits die erste Geschichte klar, dass der Autor, entsprechend dem Konzept der Reihe, keine Energie verschwendet, um neue und revolutionäre Ideen an den Leser zu bringen. Stattdessen ist die Lage der erzählenden Hauptfigur bereits von Anfang an erkennbar. Worauf es hier ankommt, ist die plastische Atmosphäre, die den Leser immer tiefer in die schaurige Welt des Protagonisten zieht. Der Carnevale a Venezia wirkt hingegen wie ein wenig packendes Verwirrspiel. Der Autor schafft es hierbei nicht richtig, reizvolle Umschreibungen für seine Gedanken zu finden. Was allerdings zu faszinieren weiß, ist die gut recherchierte schriftstellerische Tour durch Venedig. Ebenso gut recherchiert ist auch die folgenden Erzählung, bei der vor allem die Schilderung des Palazzo Dario ins Auge fällt. Für die gepflegte Gänsehaut wird mit der dem Ambiente entsprechende schaurige Stimmung gesorgt, welche den Rezipienten zum Schneiden dick umgibt. Nachdem er erfolgreich auf die falsche Fährte gelenkt hat, beweist Markus K. Korb, dass sich Verbrechen auf keinen Fall lohnen. Ganz klar an den Großmeister Howard Philips Lovecraft angelehnt ist die Schauermär Insel der Gräber, bei der die „Großen Alten“ Pate für die drohende Macht standen. Die Hommage kann dabei aus jedem Blickwinkel überzeugen, da trotz des Bezugs weder die Spannung leidet, noch das Geschehen vorhersehbar ist. Auch an dieser Stelle drängt sich der Eindruck auf, dass diese ersten vier Episoden während eines ausschweifenden und beeindruckenden Urlaubs in der Stadt, die langsam vom Wasser verschlungen wird, entstanden sind – umso beeindruckender die Tatsache, dass die Informationen lediglich aus Büchern gesammelt wurden. Der erste Beitrag der Berlin Serie beginnt als lockere Wiedergabe der goldenen Zeiten der Hauptstadt, in welcher ein wohlhabender Dandy scheinbar alle Vergnügen, nach denen es ihm gelüstet, ausleben kann. Doch nach einem harten Break wird die Fassade niedergerissen und der Blick auf die brutale Realität gezerrt, welche für die Verhältnisse des Autors recht hart ausfallen. Doch auch auf diesem noch nicht so trittsicheren Pfad kommt Korb nicht ins straucheln und trifft mit seinen Beschreibungen den anfälligen Nerv des Schreckens. Der Schlafgänger schlägt derweil wesentlich ruhigere Töne an, und bezieht seine Schauer aus einem uralten Mythos, der Passenderweise in den wirtschaftlich dunklen Zeiten angesiedelt ist, sowie aus den Bezügen und Zitaten aus Edgar Allan Poes faszinierender Geschichte The Tell-Tale Heart (Das verräterische Herz) von 1843. Das durch den Krieg gebeutelte Deutschland bietet den perfekten Hintergrund, und liefert zudem noch einen bedrückenden Grundton zur Geschichte. Bedingt durch die Vorlage ist das Finale nicht wirklich überraschend, was den Genuss des Erzählten etwas schmälert. Seinen beiden schriftstellerischen Kollegen Moni Angerhuber und Thomas Wagner ist indessen eine Story gewidmet, die eine skurrile Weltanschauung glaubhaft zu vermitteln weiß. Inspiriert von We all look better in Black & White, einem Dark Industrial Stück das pst (Thomas Wagner), scheint hier der Bezug zu den beiden Berlinern am unmittelbarsten. Doch auch im restlichen Teil des Zyklus um die Landeshauptstadt zeigt sich anhand von einigem Insiderwissen, dass der Austausch sehr rege gewesen, und entsprechend fruchtbar gewesen ist. So wie auch bei der letzten und sicherlich auch besten Erzählung Tief unten, die ein Phänomen der Neuzeit als Aufhänger hat, für welches Berlin wie prädestiniert ist. Die Caver, ständig nach neuen Höhlen oder unterirdischen Bauten suchende Menschen, sind alleine schon äußerst beachtenswert, doch durch den Kontext der Bedrohung der ganzen Menschheit ist das Gelesene essentiell. Die Szenerie ist in der Neuzeit angesiedelt, welche kongenial mit der grauen Vergangenheit verknüpft wird und mit einigen Plot Twists die Spannung bis auf die Spitze treibt – auch hier zeigen sich ins Moderne übertragene Motive von Lovecraft, die den Gesamteindruck angenehm abrunden. Gleiches gilt auch für das Nachwort von Eddie M. Angerhuber, die neben einigen treffenden Resümees zu den Geschichten des Bandes, sowie dem Autor selbst, auch einige hochinteressante Hintergrundinformationen zum Besten gibt.

Markus K. Korb hat es geschafft – nach Veröffentlichungen in Magazinen Screem und Twilightmag scheint der Weg in die Verlagswelt gesichert. Träume vom Abgrund eine Kurzgeschichtensammlung, die im kleinen aber feinen RoughArt Verlag erschien, war nur die konsequente Fortführung der Herausgaben. Seine zweite Ambition zeigte er bei Jenseits des Hauses Usher, einer Sammlung von Geschichten deutscher Autoren, die sich hierin mit dem Oeuvre von Edgar Allan Poe befassten. Diese Anthologie erschien, unter der Federführung von Korb, im Programm des Blitz Verlags, bei dem es offensichtlich gut lief, denn Jörg Kaegelmann, der Geschäftsführer der BLITZ GmbH, ist anscheinend überzeugt vom Konzept. So ist Korb nun für „Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek“ verantwortlich, welche dieses Buch eröffnet und mit Das Alptraum-Netzwerk von Thomas Ligotti fortgesetzt wird, und auch in Zukunft sowohl deutschen, als auch ausländischen Autoren Veröffentlichungsmöglichkeit bieten. Dabei sollen immer Motive von Poe auf die eine oder andere Weise mitschwingen, ohne zwingend in den Vordergrund zu treten.

Was die Aufmachung des Buches angeht, so macht es bereits auf den ersten Blick einen guten Eindruck, und das stimmungsvolle Cover von Mark Freier lädt zum Schmökern ein. Auch die Innenillustrationen von Gustav Wölkl treffen meist vollends den Ton des entsprechenden Textes. Die Papierqualität hat sich gegenüber Jenseits des Hauses Usher – und auch etlichen anderen Büchern des Verlages – deutlich gebessert. Es bleibt zu hoffen, das dies nicht nur bei den nächsten Bänden der Serie, sondern auch beim restlichen Programm der Fall sein wird. Was nebenbei noch auffällt, ist die Tatsache, dass Lektorat, Satz und Druck von einer sehr internationalen Crew durchgeführt wurden, die allerdings recht gute Arbeit abgeliefert haben.

Prädikat:       Die Hoffnung der deutschen Phantastik !!!

© Heiko Henning

10.10.2003