DIN A4 44 Seiten
Auflage: circa 250 Exemplare
ISSN 0948‑1656
1.1995 600
Walther
Wiesheier
Badanger 33
91358 Kunreuth
Dieses
Fanzine soll – in entsprechend würdigem Rahmen – dazu dienen, Geschichten,
welche durch ihre Qualität langfristig im Gedächtnis bleiben, ein Medium zu
bieten. Redaktionell betreut wird es von Andreas
Kasprzak, welcher mit Walther zusammen
dieses Projekt ins Leben gerufen hat.
Dem
Äußeren nach hat diese Ausgabe viel zu bieten, doch der erste Eindruck von dem
Hochglanzcover verschwindet, wenn man erst einmal etwas geblättert hat. Die
Schriftgröße beträgt leider nur sieben Punkt (das hier ist neun Punkt), und
hinzu kommt auch noch, daß der Druck – bis auf dem vom Cover – teils so
schlecht ist, daß ganze Reihen zu verschwimmen drohen. Unter diesen Umständen
bekommt man bereits nach dem Lesen einer kurzen Geschichte Kopfschmerzen, durch
das übermäßige Anstrengen der Augen. Das Layout ist ähnlich dem von Screem – es
zeigen sich auch die gleichen Schwächen. Sehr hilfreich sind die
Kurzbiographien am Anfang jeder Geschichte, da der Leser sich so ein gutes Bild
von dem Autor machen kann.
Der
Titel Die Kettensäge macht glauben, Andreas Kasprzak würde nun in ähnliche
Gewaltverherrlichung ausbrechen, wie er es immer bei anderen beanstandet. An
ein paar Textpassagen trifft dies auch in gewisser Weise zu, doch um diese
Schilderungen von Gewalt und Splatter baut er ein filigranes Häuschen aus Wahn,
in das sein Akteur gezogen wird, als er sich eine neue Kettensäge kauft.
Andreas gelingt sogar fast das Kunststück, den Leser soweit mit einzubeziehen,
daß er sich trotz des falschen, von Irrsinn durchtriebenen Handeln
identifiziert und die Besessenheit, welche vor allem in der Kindheit vorkommen
zu erkennen, als gegeben hinzunehmen. Leider geht er jedoch an wenigen Stellen
zu offensichtlich vor, um seine Stellung bezüglich dieser Handlungen klar zu
machen, was die Illusion zerstört. Kleine Schnitzer, die enthalten sind kann
man allerdings getrost übersehen und sich einfach dem Lesevergnügen hingeben,
welches diese Geschichte doch bietet. Weniger dem Horror, als vielmehr der
Phantastik kann Der Hauptgewinn von Roland Kroemer zugeordnet werden. Sein
Besitzer von einer Losbude mit einem nicht redigierbarem Schicksal erinnert
nicht nur wegen des Jahrmarktes als Schauplatz an Ray Bradbury. Auch die Atmosphäre und der Plot ist ähnlich den
Werken dieses Autors. An die Qualität des Originals kommt Roland freilich nicht heran, bietet gleichwohl sehr fesselnde
Unterhaltung. Der Tote von Frank Festa ist schon einmal in dem von
Frank herausgegebenen Fanzine Zwischen Dämmerung und Nacht erschienen.
Sie stellt eine wirklich gute recht realitätsbezogene Horrorgeschichte dar –
lesenswert! Bernd Frenz macht wieder
einmal klar, wie sehr er sich trotz seines hohen Standards noch zu steigern
vermag. Ich bin aus anderem Holz
geschnitzt stellt sich als eine völlig andere Art von Geschichte heraus,
als man sie sonst von dem Talent gewohnt ist. Der Plot von einer Marionette,
die in die harte und grausame Welt der Menschheit gestoßen wird, muß sich
zunächst zwar den Vorwurf machen lassen, daß sie nicht sonderlich viel mit
Horror zu tun hat, entwickelt sich jedoch langsam zu realem Grauen mit einer
nicht aufgesetzt wirkenden Aussage. Ganz nett, jedoch ohne sonderlichen Tiefgang
ist Observierung von Stephan Peters – die Vignette bietet
nur kurzweilige Unterhaltung. Äußerst packend ist Clara von Guido Ahner. Mit einer krassen
Realitätsbezogenheit schlägt er dem Leser Bilder ins Gesicht, denen er nicht
widerstehen kann und letztendlich erwischt er sich dabei, wie er sich trotz des
Geschehenen mit dem Akteur identifizieren kann – was jedoch durch die Auslegung
dieses nur bei männlichen Leser funktionieren dürfte. Die niederen Instinkte
werden erregt und das Tier in der Natur des Menschen kehrt sich nach außen,
wovon sich manche Leser vielleicht angewidert fühlen werden, doch es ist
schließlich ihre eigene Natur. Enttäuschend ist hingegen leider Der unheimliche Schleicher von Jörg Kleudgen. Die Schreibweise dieser
eine Seite langen Geschichte ist leider nicht der Länge angepaßt, wirkt zu
schwülstig, um wirkliche Lesefreude zu bringen. Die Beschwörungen von Michael Siefener sind ähnlich schwierig
verfaßt, was jedoch bei der Länge von zehn Seiten durchaus passend ist. Der
Plot zeigt deutliche Anlehnen bei Lovecraft
und das Ganze ist fortlaufend gut erzählt. Einzig der Schluß wirkt ein
wenig schal und ausgelutscht. Witzige Kurzunterhaltung bietet Jürgen Thomann mit Die Heimsuchung. Eine ganz nette, jedoch etwas hohle, Nachhut
stellt Von der Spinne, die kleine Jungen
frißt dar. Andreas Kasprzak liefert
lediglich eine nett erzählt Schauermähr, ohne irgendeine Erklärung für das
Geschehene beizufügen, obwohl der Leser diese dringend benötigt.
Die
Illustration von Rainer F. Engel, Andreas Kaiser und Jörg Kleudgen sind allesamt recht nett, passen jedoch teil nicht
zum Thema (Rainer F. Engel), sind
teils schon diverse Male erschienen (Andreas
Kaiser) oder enttäuschen durch zu viel Minimalismus, durch den der
Betrachter keinerlei Hilfestellung bekommt (Jörg Kleudgen).
Prädikat: Gutes, noch nicht ausgereiftes,
Projekt – auf jeden Fall seinen Preis wehrt !!!
© Heiko Henning
19.5.1995