Neil Gaiman
Coraline

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Wilhelm Heyne Verlag München
Verlagsgruppe Random House GmbH
http://www.heyne.de
Taschenbuch 9.2005 (USA 2002)
ISBN-10: 3-453-40060-7
ISBN-13: 978-3-453-40060-3
Übersetzung: Cornelia Kurtz-Arnold
Originaltitel: Coraline
178 Seiten 695


Inhalt:
Die kleine Coraline ist mit ihren Eltern gerade in ein neues Haus gezogen, in dem sie schon nach kurzer Zeit eine Tür entdeckt – diese findet jedoch erst richtige Beachtung, als das Wetter keine weitere Erkundung der Umgebung zulässt. Nachdem jedoch die Mutter den alten Schlüssel hervorholt und die Tür aufgeschlossen ist, zeigt sich, dass sich dahinter lediglich eine nachträglich gemauerte Wand befindet. Die Mitbewohner des Hauses entpuppen sich als recht seltsam, zumal sie ihren Namen ständig falsch aussprechen, was sie zunächst noch klarzustellen versucht: Caroline heißt sie doch gar nicht! Doch zumindest die Mäuse des einen verschrobenen Nachbarn nennen sie beim richtigen Namen und lassen ihr eine Botschaft ausrichten: „Geh nicht durch die Tür“. Nach einigen weiteren Vorfällen kann Sie dann auch etwas mit der Nachricht anfangen, denn plötzlich befinden sich keine Backsteine mehr hinter der Tür und beim heimlichen Stöbern findet sie keinesfalls die erwartete leere Nachbarwohnung. Vielmehr ist es ein Spiegelbild ihrer eigenen Welt – nur dass halt alles ein wenig anders ist, wie beispielsweise die Frau, die sich als ihre „andere“ Mutter vorstellt und neben einigen Äußerlichkeiten auch völlig andere Augen hat – große Knöpfe stieren die kleine Coraline an. Doch natürlich ist es zu spät, und Coraline bleibt keine andere Möglichkeit, als auch diese Welt genauer zu erkunden um einen Weg zurück zu ihrer wirklichen Familie und der realen Welt zu finden…

Meinung:
Die Leser, die Neil Gaiman nur als Autor von Sandman Comics oder wahrlich phantastischen Büchern, die er teils zusammen mit Tarry Pratchet geschrieben hat, kennen, wird das vorliegende Werk überraschen. Das Multitalent, dass „nebenbei“ auch noch an Theaterstücken arbeitet und sich auch für Beiträge in Zeitschriften nicht zu schade ist, legt mit Coraline ein Kinderbuch vor. Bei diesem Taschenbuch handelt es sich um eine Neuauflage des ursprünglich im Arena Verlag als Buch für Kinder ab 10 Jahren erschienen Hardcovers. Obwohl – für Kinder ist das Werk eigentlich nicht wirklich uneingeschränkt zu empfehlen, jedenfalls nicht ohne Dialog mit anderen über dessen Inhalt. Wie auch Alice im Wunderland von Lewis Caroll, zu dem es – wie auch zu anderen Büchern für jüngeres Publikum – mehr als nur eine Parallele gibt, sollte das Gelesene bei Kindern nicht einfach im Raume stehen bleiben. Wie auch beim Kaninchenbau von Alice, dem Buch der Unendlichen Geschichte oder dem Kleiderschrank der nach Narnia führt etwas – diesmal eine normale Tür – in ein fremdes Land. Doch im Falle von Coraline ist der Abstand zur Realität sehr gering, die „andere“ Welt sieht der realen zum verwechseln ähnlich und zeichnet diese nicht deutlich überspitzt nach. Aus dieser Nähe entstehen der eigentliche Reiz, und auch der Schrecken des Buches – Lemony Snicket hat nämlich so unrecht gar nicht mit seiner auf dem Backcover abgedruckten Bewertung. „Eine faszinierende und verstörende Geschichte, die mich beinahe zu Tode erschreckt hat. Wenn Sie sich nicht in Kürze zitternd vor Angst mit dem Daumen im Mund unter dem Bett kauern wollen, sollten Sie dieses Buch langsam und vorsichtig zurücklegen.“ Natürlich etwas übertrieben, aber gerade bei Kleinkindern sollte man den Rat bedenken, da die Differenzierung von Wirklichkeit und Fantasie noch nicht so ausgeprägt ist. Die „andere“ Welt versucht gerade durch diese Nähe das Vertrauen zu erschleichen – alles scheint wie sonst, nur das noch mehr erlaubt ist. Lediglich an den schaurigen Details wie Knopfaugen zeigt sich das wahre, grausige und teils auch furchteinflößende, Gesicht dieser alternativen Welt. Erst einmal an der Oberfläche gekratzt offenbart sich immer mehr der Schrecken, doch zu diesem Zeitpunkt ist die Figur bereits fest im Netz der Spinne gefangen und muss sich nun mit ihrer eigenen Angst befassen, und wie diese überwunden werden kann. Hierzu passen auch sehr schön die einleitenden Worte, die von G. K. Chesterton stammen: „Märchen sind mehr als nur wahr – nicht deshalb, weil sie uns sagen, dass es Drachen gibt, sondern weil sie uns sagen, dass man Drachen besiegen kann.“ Sicherlich wirkt die kleine Coraline ein wenig zu selbstsicher und die Charakterisierung lässt schon alleine aufgrund der Länge des Textes zu wünschen übrig, doch das tut dem Genuss des Buches keinen Abbruch. Empfehlenswert ist Coraline auf jeden Fall für alle jung gebliebenen und unerschrockenen Jugendlichen – Kindern sollte jedoch am besten vorgelesen werden, um das Grauen zu relativieren und die enthaltenen Weisheiten zu übersetzen.

Ausstattung:
Das Buch ist recht schlicht gehalten und die Illustrationen des Originals fehlen leider – auf dem Cover wird der Inhalt schlicht und wenig ergreifend als Roman betitelt. Allerdings könnte das den Nebeneffekt haben, dass Jugendliche auch mal unerschrockener zu anderen anspruchsvolleren Werken greifen. Die Übersetzung von Cornelia Kurtz-Arnold fällt bis auf ein paar kleine Holprigkeiten nicht negativ auf – das Lesevergnügen wird also auch im Deutschen nicht getrübt.

Fazit:
Ein sehr lesenswertes Kinderbuch nicht unbedingt für Kinder – der Anspruch liegt hier etwas höher !!!

© Heiko Henning
12.12.2006


Infos beim Vertrieb/Verlag:
http://www.randomhouse.de/book/edition.jsp?edi=169153 (externer Link!)




Letzte Aktualisierung: 14.04.2024, 14:42 Uhr
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