Kôji Suzuki
Spiral – The Ring II

Bild

Heyne Allgemeine Reihe
www.heyne.de
Softcover 12.2003 (Japan 1995)
ISBN 3-453-87386-6
Übersetzung: Viktoria Heindorf, Tomonaga Horiguchi
Originaltitel: Rasen
348 Seiten 895


Inhalt:
Mitsuo Ando steht kurz vor seiner Scheidung, die seine Frau von ihm haben möchte – nach dem Tod ihres Sohnes Takanori gibt es für beide keine gemeinsame Zukunft mehr. Bei seiner Arbeit als Pathologe in der Gerichtsmedizin wartet der nächste Schicksalsschlag auf ihn, denn sein alter Studienfreund Ryuji Takayama – genialer Mathematiker, Mediziner und Philosoph – wurde von seiner jungen Lebensgefährtin Mai Takano tot in seiner Wohnung aufgefunden, und Ando muss nun die Todesursache feststellen. Zwar hatten sich beide eine lange Zeit nicht gesehen, ihn sezieren zu müssen, nimmt ihn jedoch unerwartet hart mit. Bei der Obduktion gibt ihm der Geist von Takayama scheinbar mit einem aus dem geöffneten Körper herausgedrückten Zeitungsfetzen mit einem Code: 178 136, den Ando als „Ring“ entschlüsseln kann. Durch diesen Hinweis und eine Reihe weiterer Todesfälle, die alle den gleichen biologischen Grund, einem Virus, der einen Tumor verursacht, der wiederum durch Verschluss von Kehle und Herzkranzaterie für einen qualvollen Exitus sorgte. Ein unheilvolles Video taucht auf, nach dessen Konsum Mai Takano verschwindet – dafür taucht eine geheimnisvolle Fremde auf, die Ando zunächst zu betören weiß…

Meinung:
Nachdem der überraschende Erfolg des ersten Ring Romans Kôji Suzuki quasi von heute auf morgen zu einem der bekanntesten Autoren in Japan machte, war es klar, dass eine Fortsetzung hermusste, um diesen Durchbruch zu festigen und auszuweiten. Dabei galt es vor allem einem Problem zu begegnen, denn die Geschichte, das eigentlich faszinierende in Ring, war nun schon bekannt und bot für jeden Leser des ersten Bandes keine Überraschungen mehr. Eine sinnvolle, schaurige und packende Fortsetzung scheint bei dem nicht überragenden schriftstellerischen Können von Suzuki nur schwer möglich zu sein. Das schien auch dem Autor selbst aufzugehen und er schlug einen komplett anderen Weg ein – er setzte die Geschichte in einen anderen Kontext und fügte ein paar neue Ideen hinzu. Das kann man ihm schon einmal hoch anrechnen, denn viele andere Autoren geben sich damit zufrieden, ihre erfolgreiche Geschichte mit ein paar neuen Protagonisten nochmals zu erzählen. Aus der schaurigen Geister- und Rachemär wurde ein wissenschaftlicher Thriller, der noch mehr als der erste Teil versucht, dem ganzen einen realitätsbezogenen Hintergrund zu geben. Dabei stützt sich seine Idee auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Genetik und Virologie, die sich zunächst ganz nett lesen und wie eine interessante Alternative Sichtweise ausschauen. Leider kann Suzuki bei dem recherchierten Wissen über medizinische Tatsachen, Forschungen und Ideen nicht immer vollends überzeugen, weshalb er das Ganze dann auch schlussendlich mit einer Prise Spirituellem abrundet. Das dadurch keine homogene Mischung entsteht, ist klar – zunächst wird alles drangesetzt, den Mythos wissenschaftlich zu erklären, und dann gibt es doch übersinnliche Fragmente. Im Heimatland wird diese Mischung sicherlich sehr viel besser funktionieren, da dort der Glaube an Geister und Übersinnliches viel stärker im Alltag verankert ist. Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob der Leser bis ins Kleinste wissen will, was wirklich hinter dem Fluch steckt – sicherlich nicht, da gerade durch die Unklarheit in Ring einen großen Teil der Faszination ausgemacht hat. Die Figuren sind diesmal durch recht ausschweifende Charakterzeichnungen und Hintergründe plastischer ausgefallen. Dabei wird auf ähnliche Individuen zurückgegriffen, wie sie bereits im ersten Teil Verwendung fanden, was den Einstieg erleichtert. Das beides ergibt für sich genommen sich zwar noch kein wirkliches „Mitfiebern“, doch in Verbindung mit der teils schaurigen Inszenierung kann es sicher einige Leser mitreißen. Das langsam wachsende Unbehagen findet zwar längst nicht mehr so ausführlich Verwendung, doch die menschliche Gefühlsklaviatur wird teils sehr passend angeschlagen. Um auch Lesern, die Ring nicht gelesen haben einen Überblick der vorangegangenen Geschehnisse zu geben, wir im Mittelteil des Romans viel von der Originalstory als Rückblende nochmals erzählt. Das füllt natürlich Seiten und macht dem Autor das Leben leichter – Rezipienten des ersten Buches fühlen sich allerdings, gelinde gesagt, veralbert. Sicher ist es ein wenig hilfreich, sich die Ereignisse frisch ins Gedächtnis zu rufen, wenn die Lektüre bereits einige Zeit zurückliegt, doch dann kann ich dies auch im ersten Buch nachlesen, wenn ich es möchte. Im ersten Buch liegt auch ein Problem dieses zweiten begraben, denn es war abgeschlossen, und eine Fortsetzung nicht vorgesehen, weshalb es einige Brüche in der Handlung und bei den Figuren zu beklagen gibt. Das sich Suzuki selbst zum Teil von seiner Geschichte etwas auf seltsame Pfade führen ließ, zeigen auch solch grobe Schnitzer, wie (Achtung, kleiner Spoiler) der aus einem Lüftungsschacht kletternder Säugling. Solche Unlogiken verschwimmen zwar meist mit den Übersinnlichen Erklärungen, fallen aber an und an doch negativ auf.

Ausstattung:
Das deutsche Buch aus dem Heyne Verlag ist glücklicherweise diesmal direkt aus dem Japanischen übersetzt worden, und nicht, wie das erste, mit dem Umweg über das Amerikanische. Dadurch wirkt der Text auch wesentlich lebendiger und bei manchem kann der Leser direkt die bessere Wortwahl erkennen. Einige der Rechtschreib- und Lektoratsfehler hätten allerdings nicht sein müssen – vor allem bei einem so großen Verlagshaus –, ebenso wie der leicht verwirrende Titel Spiral, der von der amerikanischen Übersetzung übernommen wurde, allerdings trotzdem herzlich wenig mit dem Originaltitel Rasen zu tun hat (wobei es nachzuvollziehen ist, dass Ring II mit draufsteht, damit die Leute merken, dass der Roman zum Zyklus gehört).

Fazit:
Der Ring Virus wird wissenschaftlich erklärt, oder auch nicht – der Roman versucht zu viele Spagate und endet dabei in der Mittelmäßigkeit !!!

© Heiko Henning
26.10.2004


Infos beim Vertrieb/Verlag:
http://www.randomhouse.de/book/edition.jsp?edi=167764 (externer Link!)




Letzte Aktualisierung: 31.10.2024, 13:52 Uhr
(c) Twilightmag 2024
Version: 5.5